Wie in meinem erwartungsvollen Vorurteil angekündigt, erhoffte ich mir von Age of Wonders 3 nicht weniger als eine Revolution des Fantasy-Taktik-Subgenres. Tatsächlich bringt uns Age of Wonders 3 ein gutes Stück voran, überzeugt mich aber noch nicht völlig. Lest hier, warum.

Age of Wonders 3 – Das Beste aus beiden Welten

Das Wichtigste vorweg: Age of Wonders 3 ist nicht einfach nur ein Clone von Might and Magic Heroes VI. Leider hat das Spiel aber dennoch viel zu viele Parallelen zu Ubisofts Mitbewerber-Produkt. Natürlich sind einige Dinge zwangsläufig, wenn man ein Fantasy-Taktikspiel auf Hexfeldern ansiedelt. Doch allzu oft fühlt man sich beim Spielen von Age of Wonders 3 arg an die Heroes-Welt erinnert – sei es bei Einheiten, dem Mapdesign, Bezeichnungen oder einfach dem allgemeinen Spielgefühl. Ein wenig deutlichere Abgrenzung durch einen eigenen Stil hätte Age of Wonders 3 sicher gut getan. Aber wir wollen mal nicht gleich meckern, sondern lieber schauen, warum Age of Wonders 3 trotzdem eigenständig und vor allem sehr gelungen ist. Das Game verbindet nämlich die Vorzüge eines reinen Taktikspiels mit den strategischen Anforderungen eines Globalstrategie-Titels.

In der Weltkartenansicht fühlt sich Age of Wonders 3 sogar ein wenig nach Civilization an, denn anders als bei Heroes oder Total War sind die Stadtpositionen nicht festgelegt, sondern können mit Civ-mäßigen Siedlern gegründet werden. Je nach Population weitet sich der Einfluss der Stadt aus und profitiert von umliegenden Goldminen, Bauernhöfen oder magischen Orten – ähnlich den Ressourcenfeldern bei Civilization. Ergo erweitert man sein Königreich nicht nur durch Krieg, sondern auch durch bloße Expansion in freie Gebiete. Das macht vor allem in den Szenarien und freien Spielen Sinn, während sich die Kampagnen doch arg gescripted und leider etwas emotionsarm spielen. Auf den Hexfeld-Schlachtfeldern ist Age of Wonders 3 eine ganze Klasse besser als Heroes, denn das Gelände spielt eine viel wichtigere Rolle, das Feld ist nicht so zweidimensional beschränkt und KI und Mensch müssen sich auf vielschichtige Taktiken einstellen, die unbegrenzte Möglichkeiten bieten.

Age of Wonders 3 – Komplexität überall

Es gibt Spieler, denen kann ein Strategietitel nicht komplex genug sein. Jeder, der sich schon einmal in ein Game von Paradox gekniet hat, weiß, was ich meine. Leider geht bei Age of Wonders 3 oft total die Übersicht bzw. das Verständnis für Zusammenhänge verloren. Das beginnt schon bei der Anführerauswahl. Jedes der sechs Völker hat per se schonmal gewisse Vorzüge. Hinzu kommt die Spezialisierung des Oberhauptes als Krieger, Zauberer, Technokrat usw. Außerdem kann man sich noch auf gewisse Zauberschulen konzentrieren, so dass allein die Kreation eines eigenen Anführers hochkomplex ist. Im Spiel selbst gibt es in den Bereichen Bauwesen, Forschung und Einheitenausbildung wenig zu meckern, doch bezüglich der Rollenspielelemente, der Einheitenfähigkeiten und des Kampfablaufes wird alles wieder sehr komplex und undurchsichtig.

Fast scheint es, als wollten die Entwickler von Triumph in Age of Wonders 3 alles unterbringen, was man so in ein Strategiespiel packen kann. Jeder Held und jede Einheit levelt, es gibt massig Artefakte und sogar Reittiere für die Helden. Die Einheiten benötigen Unterhalt, erringen XP, haben eigene Moralwerte, die je nach Gelände massiv schwanken und verlieren auf frostigem Boden sogar Stärke. Das macht an sich alles Sinn, wirkt in der Masse aber erschlagend. Hinzu kommt, dass jede Einheit eine Vielzahl Eigenschaften hat, die sich alle irgendwie so ein bisschen auswirken. Zu wenig, um es im Kampf immer großartig zu bemerken, zu viel, um es einfach zu ignorieren. Im Kampf selbst braucht es eine Weile, um überhaupt zu kapieren, wann und warum mein Armbrustschütze manchmal einmal und manchmal sogar dreimal schießt und warum ich in der einen Runde 20 Punkte Schaden zufüge und gleich darauf beim selben Ziel nur 15. Wer ein bisschen Zeit investiert, der kommt sicher mit Age of Wonders 3 klar, aber mir persönlich wären ein bisschen mehr Fokus und ein bisschen weniger „Alles wollen“ lieber gewesen.

Age of Wonders 3 – Was fehlt?

Eigentlich fehlt Age of Wonders 3 nichts – es hat eher einiges zu viel, wie ich ja gerade erläuterte. Trotzdem fehlt mir doch etwas, nämlich Herz. Obwohl die Entwickler darauf hinweisen, dass sie 39 Monate an Age of Wonders 3 gearbeitet haben, wirkt das Spiel seltsam leblos und lieblos. Die Landschaften sind enorm detailreich und deswegen oft total unübersichtlich. Die Einheiten sind so vielfältig, dass man sie aufgrund der nur minimalen grafischen Unterschiede kaum auseinanderhalten kann. Es gibt bereits in den ersten Stunden so viele Gegner, dass man kaum weiß, wer nun was kann und welches Vieh gleich nochmal total gefährlich war. Es fehlen mit komplett der Wiedererkennungswert und vor allem die Identifikation mit meinen Helden und deren Armeen. Das ist natürlich eine arg subjektive Einschätzung, doch genau hier sehe ich mein persönliches Hauptproblem bei Age of Wonders 3. Es fesselt mich einfach nicht.

Age of Wonders 3 – Fazit: Ausbaufähig

Age of Wonders 3 ist kein schlechtes Spiel, das ist klar. Es vereint rundenbasierte globale Hexfeldstrategie mit ebenso rundenbasierter Schlacht-Hefeld-Taktik und enthält alles, was sich Strategen und Fantasy-Freunde wünschen. Es ist fast sicher, dass es für das Spiel noch so einige Add-Ons und Patches geben wird, die neue Inhalte und besseres Balancing bringen. Insofern halte ich mir ein Hintertürchen offen, was das Game angeht. Momentan aber ist es nicht die Revolution, die ich mir erhofft hatte.

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